Polymerabgeleitete Kohlenstoffe als metallfreie, „grüne“ Alternative

In der Arbeitsgruppe von Prof. Bastian Etzold ist die Synthese makroskopischer Kohlenstoffe gelungen, welche in der Handhabung ähnlich zu gängigen technischen Katalysatoren sind. Wie die Publikation im renommierten Journal Angewandte Chemie zeigt, können mit diesen Kohlenstoffen die hohe katalytische Aktivität und Selektivität erzielt werden, welche sonst nur Nano-Kohlenstoffen aufweisen.

Katalysatoren sind Schlüsselmaterialien der modernen Gesellschaft, die eine selektive Umwandlung von Rohstoffen in Wertprodukte bei gleichzeitiger Abfallvermeidung und Energieeinsparung ermöglichen. Im Falle von industriell relevanten oxidativen Dehydrierungsreaktionen basieren die meisten bekannten Katalysatorsysteme auf Übergangsmetallen (z.B. Fe, V, Mo, Ag). Aufgrund der Nachteile, die mit der Verwendung von Übergangsmetallen assoziiert sind, wie z. B. seltene Vorkommen, umweltschädliche Abbauverfahren und Toxizität, ist es von hohem Interesse, dass reiner Kohlenstoff eine katalytische Aktivität in dieser Art von Reaktion zeigt und somit ein hohes Potential als nachhaltiges Substitutionsmaterial aufweist.

Bis heute kann die Entwicklung von kohlenstoffbasierten Katalysatoren für oxidative Dehydrierungsreaktionen in zwei Generationen unterteilt werden. Die erste Generation von Kohlenstoffkatalysatoren wurde durch die Entdeckung der katalytischen Aktivität von Koksablagerungen auf metallbasierten Katalysatoren für die oxidative Dehydrierung inspiriert. Im Folgenden wurden hauptsächlich amorphe Kohlenstoffmaterialien wie Aktivkohle oder Ruß untersucht. Obwohl diese frühen Katalysatoren eine signifikante Aktivität und Selektivität aufwiesen, litten sie unter einer unzureichenden Oxidationsstabilität und wurden später von der zweiten Generation kohlenstoffbasierter Dehydrierungskatalysatoren abgelöst, die durch Kohlenstoffnanomaterialien (z.B. Kohlenstoffnanoröhren) repräsentiert wird. Der Vorteil von Nano-Kohlenstoffen gegenüber den amorphen Katalysatoren der ersten Generation liegt vor allem in ihrer kristallinen Mikrostruktur, die einerseits für eine ausreichende Oxidationsbeständigkeit verantwortlich ist und andererseits hohe Redoxaktivitäten ermöglicht. Da Nano-Kohlenstoffe keine innere Porosität aufweisen, befinden sich diese aktiven Zentren an der äußeren Oberfläche und sind somit für Reaktanden gut zugänglich. Nano-Kohlenstoffe weisen jedoch intrinsischer Nachteile z.B. der Handhabung des Schüttgutes oder unklarer Gesundheitsrisiken auf und erfahren somit in der heterogenen Katalyse bis heute keine industrielle Anwendung.

Angesichts des hohen Potentials von Kohlenstoffkatalysatoren in oxidativen Dehydrierungsreaktionen wird in der Arbeitsgruppe von Professor Etzold bereits seit einigen Jahren an der Synthese neuer Kohlenstoffklassen gearbeitet, mit dem Ziel die hervorragenden katalytischen Eigenschaften von Nano-Kohlenstoffen auf herkömmliche, technisch handhabbare Kohlenstoffmaterialien zu übertragen. Bereits 2015 konnte gezeigt werden, dass mit karbidabgeleiteten Kohlenstoffen prinzipiell ähnliche katalytische Eigenschaften wie Kohlenstoffnanomaterialien erzielt werden können (Chem. Mater. 2015, 27, 5719). Da karbidabgeleitete Kohlenstoffe aufgrund ihrer komplexen Synthese jedoch lediglich Modellmaterialien für Forschungszwecke darstellen, blieb das grundsätzliche Forschungsziel der Entwicklung einer skalierbaren und reproduzierbaren Syntheseroute zu technisch handhabbaren Kohlenstoffkatalysatoren weiter bestehen. In Zusammenarbeit mit Prof. Wei Qi vom Shenyang National Laboratory of Material Science in Shenyang, PR China, sowie Prof. Jan P. Hofmann vom Fachgebiet Oberflächenforschung der TU Darmstadt gelang Felix Herold, einen Doktoranden der Arbeitsgruppe Prof. Etzold, die Synthese einer Generation von Kohlenstoffkatalysatoren, die Nano-Kohlenstoffen in vielerlei Hinsicht überlegen ist.

Die Synthese der neuartigen Kohlenstoffkatalysatoren basiert auf polymeren Kohlenstoffvorläufern, die reproduzierbar und skalierbar herzustellen sind, und eine exzellente Kontrolle über die Morphologie des späteren Kohlenstoffes bieten. Mittels katalytischer Graphitisierung gelang es, während der Pyrolyse des Polymervorläufers nanoskalige Graphitkristallite innerhalb der Kohlenstoffmatrix wachsen zu lassen, die als Verankerungspunkte für katalytisch aktive Zentren dienen. Produkt der katalytischen Graphitisierung ist ein amorphes/graphitisches Hybridmaterial, welches aus den gezüchteten Graphitkristalliten besteht, die von einer amorphen Kohlenstoffmatrix umgeben sind. Um einen aktiven Dehydrierungskatalysator zu erhalten wird die amorphe Kohlenstoffmatrix durch selektive Oxidation entfernt, wobei die Porenstruktur des Materials geöffnet und Zugänglichkeit zu den großen konjugierten (graphitischen) Domänen erzielt wird. Diese zeichnen sich durch eine hohe Dichte an Defektstellen aus, an denen Sauerstoffoberflächengruppen wie z.B. ketonische Carbonylgruppen erzeugt werden. Die benachbarten konjugierten (graphitischen) Domänen scheinen als Elektronenspeicher Schlüssel zu sein, um eine hohe Redoxaktivität der Oberflächengruppen zu gewährleisten.

Als Testreaktion von großem praktischem Interesse wurde die oxidative Dehydrierung von Ethanol ausgewählt, da sie ein katalytisches Bindeglied zwischen Bioethanol, das leicht aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden kann, und Acetaldehyd, einem wichtigen Zwischenprodukt in der aktuellen industriellen Chemie darstellt. Im Vergleich zu einem Kohlenstoffnanoröhren-Benchmark-Katalysator konnten mit der neuen Materialklasse um bis zu 10-mal höhere Raum-Zeit-Ausbeuten erzielt werden.

Die in dieser Arbeit vorgestellten Kohlenstoffkatalysatoren sind von großer Bedeutung, da sie die Tür zu einer neuen Materialklasse öffnen, deren Potential aufgrund der vielfältigen Optimierungsmöglichkeiten der flexiblen Syntheseroute zukünftig genutzt werden kann. Neben der Verwendung der neuen Kohlenstoffe in der oxidativen Dehydrierung anderer relevanter Substrate, wie etwa Alkanen und weiterer Alkohole, ist zudem die Erweiterung des Anwendungsbereiches auf die Elektro- und Photokatalyse von Interesse.

 

(Quelle: TU Darmstadt)

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