DGM-Tag 2024: Die Preistragenden stellen sich vor – Heyn-Denkmünze – Prof. Dr. Klaus Jandt

Der DGM-Tag ist für die Mitglieder und den wissenschaftlichen Nachwuchs unseres Fachverbandes, der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde, das Herzstück des Jahresgeschehens. Am 23. September 2024 lädt die Mitgliederversammlung zum persönlichen Wiedersehen nach Darmstadt ein. Ein Höhepunkt ist die DGM-Preisverleihung während des DGM-Tages, bei der das herausragende Engagement von Forscherinnen und Forscher auf dem Gebiet der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik gewürdigt wird. Welche DGM-Preise werden auf dem DGM-Tag 2024 verliehen? Welche Forscherpersönlichkeiten stehen dahinter? Wir stellen Ihnen die Nominierten vor.

Die Heyn-Denkmünze, benannt nach dem ersten DGM-Vorsitzenden Emil Heyn (1867–1922), ist die höchste Auszeichnung der DGM. Sie wird für jene Leistungen auf dem Gebiet der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik verliehen, durch die wesentliche Fortschritte in wissenschaftlicher, technologischer oder wirtschaftlicher Hinsicht erzielt werden konnten. Die DGM würdigt mit der Heyn-Denkmünze 2024 das Lebenswerk von Herrn Prof. Dr. Klaus Jandt, Otto-Schott-Institut für Materialforschung OSIM, Friedrich-Schiller-Universität Jena.

 

1. Prof. Jandt, was bedeutet Ihnen die Verleihung der Heyn-Denkmünze und wie hat Ihre 18-jährige Mitgliedschaft sowie Ihr umfangreiches Engagement in verschiedenen Bereichen der DGM, wie die Leitung des Fachausschusses Biomaterialien und Ihre Rolle als wissenschaftlicher Koordinator bei verschiedenen Topics der MSE Kongresse, der BioMAT und CellMAT Tagungen, Ihre Karriere geprägt?

Die Verleihung der Heyn-Denkmünze, der höchsten Auszeichnung der DGM, ist eine sehr große Ehre für mich, über die ich mich sehr freue, und dafür danke ich der DGM. Ich sehe das aber auch als Auszeichnung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die mich über die Jahre begleitet haben und ohne deren Engagement und Arbeit es nicht gegangen wäre. Ihnen gebühren mein Dank und mein Respekt. Viele von ihnen sind heute selbst in leitender Position an Hochschulen oder in der Industrie.

Der große Emil Heyn hat u.a. neue Mikroskopieverfahren entwickelt und so ganz neue Möglichkeiten der Werkstoffuntersuchung eröffnet. Ich wirke in der Stadt der Mikroskopie Jena, und wir haben dazu beigetragen, im Bereich Sondenmikroskopie an Polymeren und Biomaterialien Neuland zu betreten. Auch von daher freue ich mich, dass wir in diesem Sinne in Heyns Tradition stehen und die Auszeichnung seinen Namen trägt.

Die DGM hat meinen Weg ganz wesentlich geprägt. Als ich vor vielen Jahren der DGM die Gründung des Fachausschusses Biomaterialien vorschlug, traf ich zunächst auf Skepsis in einer vor allem traditionell durch Metalle geprägten Fachgesellschaft. Die dann folgenden Erfolge der Biomaterialien in der DGM, die auch viele junge Menschen begeistert und zum Beitritt in die DGM bewegt haben, sprachen dann aber für sich. Heute ist die DGM viel offener, moderner und vielfältiger und hat sich großartig entwickelt.

Die DGM ermöglichte mir, mich mit anderen Menschen aus dem In- und Ausland auszutauschen, zu vernetzen und neue Perspektiven zu gewinnen. Durch die DGM habe ich viel gelernt und kann viel (mit-)-gestalten. Ich empfinde die DGM als einzigartig, u.a. deshalb, da sie sich trotz ihrer Größe immer einen familiären Charakter bewahrt hat. Mein Appell an junge „MatWerkis“ – macht bei der DGM mit!

 

2. Ihre Arbeiten zur LED-Photopolymerisation für orale Biomaterialien haben weltweit große Anerkennung gefunden. Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie in diesem Bereich und welche Auswirkungen erwarten Sie von Ihren Ergebnissen auf die klinische Praxis und industrielle Anwendungen?

Ziel unserer Arbeiten LED-Photopolymerisation für orale Biomaterialien war es, einen neuen Weg zu Verarbeitung von Biomaterial-Composites (manchmal auch nicht ganz korrekt Kunststofffüllungen genannt) zu entwickeln. Dabei stand die Frage im Vordergrund, wie dieses neue Verfahren die Struktur und die Eigenschaften der Composites beeinflusst. Unser erstes wissenschaftliches Manuskript dazu wurde übrigensvon einer Fachzeitschrift abgelehnt mit der Begründung, dass blaue LEDs ungeeignet zur Photopolymerisation von Composites seinen. Das zeigt, dass wissenschaftlich-technologischer Fortschritt nicht immer einen geraden Weg nehmen muss. Heute ist das ein Standardverfahren in jeder Zahnarztpraxis, was das Langfristziel war. Viele industrielle Anbieter fertigen solche LED-Geräte.

Das langfristige Ziel dieser und unserer Forschung generell ist ein besseres Verständnis von Materialien und eine verlängerte Lebensdauer. Wir wollen eine bessere „Performance“ von Biomaterialien zum Wohle der Allgemeinheit erreichen und damit die Lebensqualität erhöhen. Deshalb forschen wir jetzt intensiv an neuen antimikrobiellen Biomaterialien, die Infektionen an Implantaten reduzieren sollen und bilden im Rahmen eines DFG-Graduiertenkollegs junge Materialwissenschaftler für diese Aufgaben aus.

 

3. Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach Netzwerke und interdisziplinäre Zusammenarbeit im wissenschaftlichen Umfeld und wie haben diese Aspekte Ihre eigene Karriere beeinflusst?

Netzwerke, wie sie die DGM bietet, sind von sehr großer Bedeutung. Die DGM bietet hier eine große Vielfalt, wie z. B. Fachausschüsse, Arbeitskreise, wissenschaftliche Konferenzen und Symposien und regionale Nachwuchsgruppen – Jung DGM. Das alles läuft auf höchstem internationalem Niveau. Ich nehme diese Angebote nicht nur wahr, sondern versuche, aktiv mitzugestalten z. B. durch den Aufbau des Fachausschusses Biomaterialien, der Gründung der internationalen Konferenz BioMAT oder durch aktive Unterstützung der Jung-DGM in Jena.

Neben den ausgezeichneten Möglichkeiten der DGM hat bei mir auch immer das Network of Excellence der Alexander von Humboldt-Stiftung eine Rolle gespielt. Die Stiftung hat einen längeren USA-Aufenthalt von mir gefördert, und danach wurde ich selbst Gastgeber für viele Humboldt-Stipendiaten und Humboldt-Forschungspreisträger. Die DGM und die AvH-Stiftung ergänzen sich hervorragend.

Mein Forschungsgebiet lebt von der Interdisziplinarität, weil Biomaterialien aus allen Werkstoffhauptgruppen kommen. Hier findet man in der DGM vielfältige Kompetenz, die die eigene ergänzt. Außerdem ist ein gewisses Verständnis für das biologische Umfeld, in dem diese Materialien eingesetzt werden, erforderlich. Das macht das Thema nicht nur sehr spannend, sondern auch abwechslungsreich.

 

4. Ihre öffentlichen Engagements wie „Saturday Lectures of Science“ und die „Lange Nacht der Wissenschaften“ haben das Verständnis für Materialwissenschaft und Werkstofftechnik in der Gesellschaft gefördert. Welche Bedeutung hat diese Öffentlichkeitsarbeit für Sie und für die MatWerk-Gesellschaft insgesamt?

Die Bedeutung solcher Veranstaltungen - im angelsächsischen Raum public understanding of science genannt – kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Schüler und Eltern kennen aus der Schule die Fächer Physik, Chemie, Biologie und Mathematik. Materialwissenschaft ist aber vielen von ihnen unbekannt, weil es kein Schulfach ist. Mit unseren öffentlichen Engagements versuchen wir, das zu ändern und zu zeigen, dass Materialwissenschaft diese Fächer auf spanende Weise kombiniert. Das macht nicht nur den Schülern und Eltern, sondern auch uns persönlich Spaß und motiviert viele, das Studium der Materialwissenschaft aufzunehmen.

Weil es heute schwieriger ist, Fach-Nachwuchs zu gewinnen, ist das Thema aber auch für die MatWerk-Gesellschaft insgesamt von wesentlicher Bedeutung. Hier muss noch mehr getan werden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Materialwissenschaft und Werkstofftechnik müssen in der Öffentlichkeit viel präsenter werden. Der breiten Öffentlichkeit ist häufig nicht bekannt, dass Werkstoffe eine wichtige Grundlage unseres Wohlstands sind und die Lösung für viele aktuelle Herausforderungen darstellen, man denke z. B. an die Themen Gesundheit, Verkehr, Energie, Sicherheit und Umwelt. Wir sollten darüber nachdenken, das Thema Materialien im Schulunterricht präsenter zu machen und dort fest zu verankern. Auch ist es überlegenswert, ein neues Medienformat (Arbeitstitel z. B. Materialien machens!) über Materialien und Werkstoffe zu schaffen.

Mit unseren Pressemeldungen und Medienauftritten versuchen wir, die Ergebnisse unserer meist komplexen Forschung der breiten Öffentlichkeit näher zu bringen. Nach Einstein versuchen wir dabei, die Dinge so einfach wie möglich darzustellen. Aber nicht einfacher. Auch interessiert die Öffentlichkeit sehr, welche praktischen Anwendungen unsere Forschung hat.

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