DGM-Tag 2024: Die Preistragenden stellen sich vor – DGM-Ehrenmitgliedschaft – Prof. Dr. Pedro Portella

Die Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V. (DGM) besitzt eine besondere Möglichkeit, ihre herausragenden Mitglieder zu ehren – die "Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde e.V." Diese Auszeichnung wird an Personen verliehen, die sich in materieller oder ideeller Hinsicht in besonderer Weise um die Gesellschaft verdient gemacht haben.

Die Ehrenmitgliedschaft der DGM ist eine Würdigung herausragender Verdienste und ein Zeichen der Anerkennung für Personen, die sich in besonderem Maße für die Gesellschaft und ihre Anliegen eingesetzt haben. Sie symbolisiert den Wert und die Bedeutung der Gemeinschaft, die sich für die Erforschung und Weiterentwicklung der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik einsetzt. Wir freuen uns, Ihnen eines unser beiden DGM-Ehrenmitglieder 2024, Prof. Dr. Pedro Dolabella Portella, Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM, im Interview vorzustellen.

 

1) Sie haben sich seit 1980 kontinuierlich in der DGM engagiert, unter anderem als Leiter des Fachausschusses Materialographie und als Organisator verschiedener Tagungen. Wie hat Ihre Arbeit in diesen Positionen Ihre Beziehung zur DGM geprägt und beeinflusst?  

Im Februar 1980 bin ich als DAAD-Stipendiat am Erlanger Institut für Werkstoffwissenschaften angekommen. Bereits am ersten Tag hatte ich ein Gespräch bei Bernhard Ilschner, dabei hat er mir unter anderen von der DGM erzählt, wie wichtig sie für meine Laufbahn sein könnte. Als Doktorand in der Gruppe von Wolfgang Blum habe ich in der Tat an Sitzungen von Arbeitskreisen teilgenommen, an einem Hochschulpraktikum mitgewirkt und auf der DGM-Hauptversammlung vorgetragen. Zahlreiche Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen konnte ich verknüpfen, es war der Anfang eines dichten Netzwerkes – das mich bis heute trägt. Nach einigen Jahren an einer brasilianischen Universität wechselte ich an die BAM und konnte die aktive Mitarbeit bei der DGM wieder aufnehmen. Es waren aufregende Jahre – zusammen mit Peter Schepp, der die Leitung der Geschäftsstelle übernommen hatte, sind wir durch den östlichen Sektor der Stadt auf der Suche nach passenden Räumlichkeiten für eine gesamtdeutsche Hauptversammlung gelaufen. Meine Vorgesetzte in der BAM haben mich dabei stets unterstützt, als technisch-wissenschaftliche Behörde hat sie den Auftrag, die Entwicklung der deutschen Wirtschaft zu unterstützen – und genau dies konnte ich durch die DGM verwirklichen. Sehr viel habe ich auf der fachlichen, vor allem aber auf der menschlichen Ebene von den Kolleginnen und Kollegen in den Arbeitskreisen, Fachausschüssen und anderen Gremien gelernt. Wichtig für mich war stets der Kontakt zur Geschäftsstelle, die für das Leben der Gesellschaft eine zentrale Rolle einnimmt.

2) In den letzten Jahren haben Sie sich verstärkt der Digitalisierung in der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik gewidmet. Was sind Ihre langfristigen Ziele für die Initiative MaterialDigital, und wie sehen Sie die Zukunft der Digitalisierung in Ihrer Fachdisziplin?  

In den letzten Jahren wurden potente Methoden und Werkzeugen entwickelt, die uns neue Perspektiven bei der Entwicklung neuer Werkstofflösungen eröffnen. Wir erleben tatsächlich einen Paradigmenwechsel in der Materialwissenschaft. Auf dem Weg zur Umsetzung dieser Innovationen müssen wir uns aber weiterhin mit eher technischen Fragen befassen – wie können wir aus diesen neuentwickelten Materialien innovative Produkte herstellen? Und dies schnell, nachhaltig, zuverlässig, bei geringen Kosten … Diese ist die Domäne der Werkstofftechnik, hier bin ich zu Hause. Wir benötigen weiterhin die Methoden der Werkstoffcharakterisierung, damit wir die komplexen Vorgänge in der Herstellungskette verstehen und dann – gemeinsam mit den MaterialwissenschftlerInnen – weiterentwickeln können. Genau hier setzt die Initiative MaterialDigital an. Eine Schlüsselstellung in diesem feingliederigen Prozess nehmen die Werkstoffdaten ein, die von einer Stufe in die nächste transferiert werden. Unser Fernziel ist die Entstehung eines Werkstoffdatenraums, in dem dieser Datentransfer strukturiert erfolgen kann. Noch sind wir am Anfang dieser Aufgabe, die bisherigen Ergebnisse in unserer Plattform MaterialDigital und in den mehr als zwanzig, vielfältigen Verbundvorhaben in der Initiative sind aussagekräftig und vielversprechend. Persönlich sehe ich in der Digitalisierung der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik eher eine natürliche Evolution. In der 150-jährigen Tradition der BAM wird die Sorgfalt unserer Altvorderer August Wöhler, Adolf Martens und Emil Heyn im Umgang mit Werkstoffdaten weitergetragen. Mit den Konzepten und Methoden, die wir heute in der Initiative MaterialDigital entwickeln, verfeinern und verbessern wir den Datentransfer unter den verschiedenen Disziplinen.

3) Ihre Karriere umfasst sowohl akademische als auch angewandte Forschung. Wie schaffen Sie die Balance zwischen diesen beiden Bereichen, und was motiviert Sie, sich in beiden zu engagieren? 

Die Promotion an einer deutschen Universität war für mich der Weg zur akademischen Laufbahn. In meinen drei Jahren an der PUC Rio war ich fast ausschließlich mit der Lehre beschäftigt. Es kam aber der Wechsel nach Berlin und damit eine radikale Umstellung; an verschiedenen Positionen in der Abteilung Werkstofftechnik der BAM konnte ich verschiedene Facetten der angewandten Werkstoffforschung kennenlernen. Spannend war die Mitarbeit in unserer Gruppe Schadensanalyse, in der Kolleginnen und Kollegen aus allen BAM-Abteilungen bei der Klärung von Schadensfällen mitwirken – und damit zur Prävention weiterer Schadensereignissen beitragen. Darunter waren das Versagen einer ICE-Radsatzwelle im Kölner Hauptbahnhof sowie das Versagen von nahezu einhundert Strommasten im Münsterland infolge eines Schneesturms. Sie fragen aber nach der Balance zwischen diesen Bereichen. In der BAM habe ich an allen Positionen mit Auszubildenden, Praktikanten, Studenten, die ihrer Abschlussarbeit in unseren Laboratorien anfertigten, mit Doktoranden – kurzum, mit vielen jungen Leuten zu tun. Und dabei konnte ich an sie etwas von dem weitergeben, was ich als Doktorand oder als junger Wissenschaftler in Übermaß von vielen Kolleginnen und Kollegen erhalten habe. Und es ist wunderschön zu sehen, was diese jungen Leute daraus machen! Jetzt bin ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik weiterhin in dieser Rolle als Vermittler tätig. Im Rahmen der Initiative MaterialDigital müssen wir zwischen verschiedenen Disziplinen, Kulturen das gegenseitige Verständnis entwickeln.

4) Sie haben zahlreiche internationale Kontakte gepflegt und Netzwerke aufgebaut. Welche Bedeutung haben diese Netzwerke für Ihre wissenschaftliche Arbeit, und wie tragen sie zum Fortschritt in der Materialwissenschaft bei?

Die Entstehung der Bundesvereinigung Materialwissenschaft und Werkstofftechnik (BV MatWerk) war eine aufregende Aufgabe. Mit dem ersten Vorstand – Günter Gottstein, Ernst Schmachtenberg und Dieter Herlach (+) – konnte ich als Generalsekretär Vertreter sehr verschiedenen Fachrichtungen und Werkstoffklassen zusammenbringen und daraus eine funktionierende Institution auf den Weg bringen. Ein paar Jahre später hatte ich als Präsident der Federation of Materials Societies (FEMS) eine weitere, spannende Aufgabe. Zusätzlich zur fachlichen Vielfalt der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik haben wir in der FEMS verschiedene Sprachen und nationalen Identitäten an einem Tisch. Neben den drei großen Gesellschaften (IOM3, SF2M und DGM) haben wir viele kleine Organisationen, jede mit ihrem Profil. Wie zuletzt 2023 in Frankfurt unter der Ägide der DGM bringt die EUROMAT – das Flaggschiff der FEMS – mehr als zweitausend Materialwissenschaftler und Werkstofftechniker aus der ganzen Welt zusammen. In den geraden Jahren – wie heuer in Manchester – bietet die Junior EUROMAT ein Forum für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Auf Ihre Frage hin: Diese Netzwerke sind für den Aufbau eines europäischen Forschungsraums von sehr großer Bedeutung. Darin wachsen wir zusammen und treten in Dialog mit unseren Partnern in der weiten Welt.

 

 

Newsletter abonnieren

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie regelmäßig Informationen zum Thema Materialwissenschaft und Werkstofftechnik!

Nach der Anmeldung erhalten Sie von uns eine E-Mail mit einem Bestätigungslink.
Erst mit Anklicken dieses Links ist Ihre Anmeldung abgeschlossen.

Vernetzen Sie sich mit uns