

Auf dem Weg zur Doktorwürde sammelte Andreas Erfahrungen auf mehreren Forschungsgebieten wie Diamond-Like-Carbon Schichten oder Permanentmagneten, doch sein Steckenpferd war überwiegend die Metallurgie. Im folgenden Interview erzählt er, was ihn an Metallen fasziniert, wie er den Verteidigungstag erlebt hat und welche persönlichen Lernerfahrungen ihn besonders geprägt haben:
Dein persönlicher Antrieb
- Erinnerst du dich an ein bestimmtes Material oder Bauteil, das dich schon als Kind fasziniert hat?
Im Grunde war ich als Kind nur ein großer Lego-Technik Fan! Ich wollte immer die kompliziertesten Fahrzeugmaschinen zusammenbauen und fand diese Konstruktionen und die Funktionsweisen von bewegten Teilen ultraspannend. Damit konnte ich Stunden verbringen. Aus welchen Materialien die Einzelteile bestanden, war mir erstmal gleichgültig.
- Was hat dich schon in Schule oder Studium so sehr an Materialien und Werkstoffen begeistert, dass du gesagt hast: „Genau das will ich studieren“?
Für mich war das damals nicht so einfach ersichtlich. Ich komme von einem Gymnasium, in dem Fächer der Naturwissenschaften und Mathematik sehr stark und technische Fächer eher schwach vertreten sind. Beinahe hätte ich sogar Mathematik studiert! Aber da ich mich auch in der Chemie und Physik wohlfühlte, kam die Materialwissenschaft wie gelegen. Die Aussicht, so viele spannende Technologien kennenzulernen, die sich aus Materialeigenschaften speisen, und mein Studium auch in weitere Ingenieursdisziplinen vertiefen zu können, hat mir genau diese Bestätigung gegeben.
- Gab es einen ganz bestimmten Moment oder ein Projekt, bei dem du wusstest: „Hier will ich dranbleiben!“?
Ehrlich gesagt habe ich weniger den noblen Weg der Wissenschaftler*in begangen, der seine Passion und Neugierde in einer Forschungsnische gefunden hat und sein Wissen endlos vertiefen möchte. Stattdessen dachte ich nach jedem abgeschlossenen Projekt: „Was jetzt??“ Ich wollte einfach mehr die Spielwiese erkunden. So bin ich dann doch immer wieder bei einem neuen Schwerpunkt gelandet. Der gemeinsame Nenner war, dass es um Materialien gehen muss, die nachhaltige oder innovative Technologien ermöglichen und Ressourcen schützen. Man könnte sagen, dass die Metallurgie mich am ehesten gefesselt hat. Aber selbst diese Spielwiese ist unglaublich weitläufig und so konnte man auch dort immer wieder einen neuen Sandkasten entdecken.
Aha-Momente unterwegs
- Gab es während deiner Promotion oder deiner Zeit bei der ESA einen Augenblick, in dem du dachtest: „Das ist es, was ich die nächsten Jahre vorantreiben möchte“?
In meiner Zeit bei der ESA habe ich Werkstoffe und Fertigungstechnologien kennengelernt, die keinen geringeren Anspruch haben als Bauteile herzustellen, die extrem widrigen Bedingungen wie Druck, Temperatur und korrosiven Medien standzuhalten. Gleichzeitig sind sie aber auch nicht davor gefeit, auf Unmengen kritischer und teurer Rohstoffe wie Cr und Ni angewiesen zu sein, um die Hochtemperatureigenschaften zu verbessern. Nicht nur in der Raumfahrt, sondern auch in der Luftfahrt und bei Gaskraftwerken ist das entscheidend, wo Turbinen bei hohen Temperaturen laufen müssen, um gute Wirkungsgrade zu erzielen. Für den Ressourcenaspekt bin ich auch bei einer Summer School vom EIT Raw Materials 2019 sensibilisiert worden, wo ich Studierende beim Entwickeln von neuen ressourcenschonenden Business-Ideen begleiten durfte. All das war für mich genug Zündstoff, das Feld der Eisenaluminide anzugehen - eine spannende Werkstoffklasse, die sich zu drei Teilen aus Eisen und einem Teil aus Aluminium zusammensetzt und schon mit wenig Legierungsanteilen mechanische Hochtemperatureigenschaften wie hochlegierte Stähle aufzeigt, aber bisher nur in wenigen Anwendungen zum Einsatz kam. Das wollte ich besser verstehen und habe es daher zu meinem Doktorthema gemacht.
Der Tag der Disputation
- Wie hast du den Morgen deiner Verteidigung am 09. April erlebt – warst du nervös oder eher entspannt?
Ich war sogar eher entspannt und konnte morgens frühstücken, als wäre nichts. Das war etwas suspekt. Ich habe mich aber gut vorbereitet gefühlt und insbesondere gefreut, dass meine Familie mich an diesem Tag begleitet. Sogar mein ehemaliger Betreuer der Masterarbeit ist angereist.
- Gab es ein Ritual (Musik, Kaffee, Gespräch), das dir geholfen hat, Ruhe zu bewahren?
Ich hatte früher auch die ein oder andere misslungene mündliche Prüfung, in der ich ganz schön ins Schwitzen kam oder wegen zu viel Fokus keine klaren Gedanken fassen konnte, obwohl ich gut vorbereitet war. Bei einer Prüfung habe ich es dann mal anders probiert: Ich habe vor dem Prüfungsbüro meine Augen geschlossen, mehrere Male tief ein- und ausgeatmet und für einen Moment Leere im Kopf zugelassen. Danach habe ich die Prüfung gerockt! Seitdem ist das meine Go-to-Strategie.
Emotionen und Dankbarkeit
- Auf wen warst du in den letzten Monaten am meisten angewiesen, wenn es mal richtig zäh wurde?
Meine Frau, die zeitgleich auch promoviert hat. Wir haben uns gegenseitig so gut es geht unterstützt. Für mich war sie aber ein unglaublich stabiler Anker, wenn die Tage, bestehend aus Arbeit bei der DGM tagsüber und Schreiben der Dissertation am Abend, wieder mal zur Geduldsprobe wurden. Dafür bin ich ihr endlos dankbar.
- Wie hast du deinen Erfolg anschließend mit Familie und Freund*innen gefeiert?
Wir haben den Tag entspannt in Karlsruhe ausklingen lassen. Natürlich durfte es nicht an leckeren Snacks fehlen!
Lebenslektionen aus der Forschung
- Gibt es eine „Panne“ im Labor oder ein unerwartetes Experiment, aus dem du eine besonders wertvolle Erkenntnis mitgenommen hast?
Ich weiß noch, wie wir die allererste Zugprobe nach monatelangem Warten wegen Beschaffung, Herstellung und Nachbearbeitung in die Prüfmaschine gesteckt haben und sie nach nur wenigen Zehntel Dehnung bereits gebrochen ist. „Das ging aber schnell“, meinte mein Kollege. Das hatte unmittelbaren Einfluss auf unsere Testkampagne, die zuvor sorgsam ausgearbeitet wurde. Da wurde ich bereits in meinen Erwartungen zurechtgestutzt und wurde mir bewusst, dass Versuchspläne lediglich temporäre Pläne sind und man auf alles gefasst sein sollte. Andererseits fing natürlich da auch das Abenteuer und das Ergründen der Umstände an, ein elementarer Bestandteil von Forschung!
- Abseits der Papers: Was hast du über dich selbst gelernt, als ein Experiment völlig anders lief als geplant?
Ich zerdenke gern Probleme, wenn sich Unerwartetes auftut. Wichtig aber ist, dass man ab einem gewissen Punkt die Dinge so akzeptiert, wie sie sind. Dabei hat mir immer geholfen, zeitnah das Gespräch zu meinen Peers zu suchen, um entweder Erklärungsansätze festzuhalten oder Aktionspläne aufzustellen. So kommt man vom Hadern ins Handeln zurück.
- Wie sorgst du dafür, dass du genug Abstand zur Forschung gewinnst, wenn der Kopf zu voll wird?
Für mich ist das Tanzen. Ich habe während der Promotion vieles ausprobiert, von Jazz Dance über West Coast Swing bis hin zu Hiphop und Contemporary. Die Richtung ist egal. Wenn ich nach Hause zurückkehre, habe ich sowohl einen Ohrwurm als auch müde Muskeln im Gepäck.
Balance zwischen Tiefgang und Verständlichkeit
- Du stehst ja für „Wissenschaft für alle“ – wie gelingt es dir, komplexe Forschungsideen so aufzubereiten, dass sie jede*n begeistern?
Mir ist es superwichtig, dass Zuhörer*innen meiner Vorträge mit mehr Wissen herausgehen als sie reingingen. Und das geht nur, wenn man alle beim Thema abholt, unabhängig ihres Kenntnisstands. Es braucht also einen einfachen Einstieg, klare Botschaften und Begeisterung! Die Komplexität erwartet einen, wenn man die Zuhörer*innen sprechfähig gemacht hat, Fragen zu stellen.
- Wer ist dein Vorbild, wenn es darum geht, schwierige Themen unterhaltsam und klar zu präsentieren?
Ganz klar: Mai Thi Nguyen-Kim. Sie hat in etlichen Fällen unterhaltsam demonstriert, wie sehr Wissenschaft uns im Alltag tangiert oder wie Wissenschaft uns hilft, differenzierter zu denken, mit all ihren Stärken und Schwächen. So erreicht sie viele außerhalb der Wissenschaft. Ich hoffe, dass Sie gleichermaßen Wissenschaftler*innen erreicht und inspiriert, über ihren Schatten zu springen und ein bisschen mehr Pepp in ihre Vorträge einzubauen. Ich bin auf jeden Fall schon überzeugt!
Ausblick und Wünsche
- Welchen Rat würdest du anderen jungen Materialwissenschaftler*innen geben, die gerade ihre Masterarbeit planen oder den Weg zum PhD einschlagen möchten?
Klar muss euch ein Forschungsthema begeistern, wenn ihr auf der Suche nach einem Platz für Masterarbeit oder Promotion seid. Aber der Antrieb, bis zum Schluss durchzuhalten, hängt genauso, wenn nicht mehr vom Faktor Mensch ab. Wenn euer Bauchgefühl sagt, dass ihr charakterlich besser zu einer Forschungsgruppe passt oder mehr Vertrauen in ebenjene zukünftige Betreuer*in habt, dann solltet ihr das genauso berücksichtigen. Dann wird es zwar immer noch ein steiniger Weg, aber etwas Gesellschaft hat noch nie geschadet.
Wir danken Andreas für seine offenen Einblicke und gratulieren noch einmal herzlich zu seinem Promotionserfolg. Mit seinem unermüdlichen Engagement, seiner Begeisterung für Forschung und seiner Gabe, komplexe Inhalte verständlich zu vermitteln, wird er die DGM und das Projekt BioTrans zweifelsohne weiterhin sehr bereichern. Wir freuen uns auf die nächsten gemeinsamen Schritte und laden Sie ein, Andreas’ Impulse aktiv aufzugreifen und sich mit ihm auszutauschen – denn genau dieser Dialog macht unsere Gemeinschaft stark.