Nachruf auf Dr. Jörg Trempler

Unser langjähriger Fachkollege und Freund, Dr. Jörg Trempler aus Naumburg in Sachsen-Anhalt, ist am 28. Juni 2023 nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 77 Jahren verstorben. Er war stets aktives Mitglied der Fachgemeinde, zunächst in der Kammer der Technik der ehemaligen DDR und später in der DGM und Leiter des Arbeitskreises Mikroskopie der Kunststoffe und Kunststoffverbunde im Fachausschuss Materialographie der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde.

Wir alle kannten Jörg Trempler als einen überaus bescheidenen Mann, der selten über seine zahlreichen Meriten sprach. Er leitete mehr als 70 stark nachgefragte Workshops, veröffentlichte mehr als 150 Fachaufsätze, hielt über 200 Vorträge und war an drei Fachbüchern beteiligt. Er war Inhaber mehrerer Patente und gewann in den Jahren 2002 und 2004 den begehrten Buehler Best Paper Award unserer Zeitschrift Praktische Metallographie.

Seinen Studenten gegenüber hatte er eine angenehme Art, streng zwar, aber auch milde in den Prüfungen. Wer sehr aufgeregt war, konnte sich auf seinen Leitspruch "Immer zugunsten des Angeklagten" verlassen. In der Community weniger bekannt war Jörg Tremplers handwerkliche Begabung. Sein Haus baute er mit viel Eigenleistung um. Dabei verfuhr er nach dem Motto: "Was ein Trempler baut, hält für die Ewigkeit". Bei all den zahlreichen Lebensaufgaben war Dr. Trempler dennoch ein Familienmensch und immer für Ehefrau, Kinder und Enkel ein Berater, Helfer und fürsorglicher, liebender Familienvater.

Bei den Metallographie-Tagungen, von denen er nur wenige versäumte und an denen er stets aktiv mit Vorträgen und Workshops teilnahm, wird sich Dr. Trempler manchmal wie der Quoten-Kunststoffmann gefühlt haben, wo wir doch fast alle Metaller sind. Die Umbenennung unseres Fachausschusses vor ca. 20 Jahren in FA Materialographie jedenfalls hat, neben den wenigen Keramikern in unserer Fachgemeinde, vor allem auch Jörg Trempler ermöglicht und dafür gesorgt, dass diese Umbenennung nicht ein bloßer Papiertiger blieb.

Ausgerechnet unsere Community hat sich Jörg Trempler als seine wissenschaftliche Heimat erkoren, was nicht selbstverständlich war, haben doch die Kunststoffleute ihre eigenen aktiven und erfolgreichen Fachgesellschaften. Dieses sein Engagement für unsere Fachgemeinde war besonders wichtig zur Wende- und Nachwendezeit. Schaut man sich die Teilnehmerverzeichnisse der Metallographie-Tagungen in den Wendejahren an, so fällt auf, dass nach dem anfänglichen Nachwende-Hype die Teilnehmerzahlen aus dem Gebiet der ehemaligen DDR merklich zurückgingen, was für die Vortragenden in besonderem Maße galt. Dr. Jörg Trempler hat sich diesem Trend immer entgegengestellt. In seiner aktiven Zeit war er an den Metallographie-Tagungen praktisch immer mit einem Vortrag vertreten. In den letzten Jahren seines Berufslebens bot er zudem die vielbeachteten Workshops zur Mikroskopie der Kunststoffe und Kunststoffverbunde an, die immer ihre Teilnehmer fanden. Der gleichnamige Arbeitskreis innerhalb unseres Fachausschusses hatte in Dr. Trempler seinen Mit-Gründer und langjährigen Leiter.

Die wissenschaftliche Laufbahn des Verstorbenen begann mit dem Studium der Verfahrenstechnik an der Technischen Hochschule Leuna-Merseburg. Dem schloss sich ein Metallographie-Studium an der Ingenieurschule Hennigsdorf an, übrigens mit drei Jungen unter sechshundert Mädchen. Himmlische Verhältnisse müssen das damals für ihn gewesen sein. Seine Rolle als Hahn im Korb der Metallographinnen hat er jedenfalls genossen, was er bei einem guten Tropfen nach getaner Arbeit gerne zugab. An der TH Leuna-Merseburg hat Dr. Trempler diplomiert und dortselbst im Jahre 1992 auch promoviert mit einer Arbeit zum Thema Beitrag zur Aufklärung des Zusammenhangs zwischen Molekülorientierung und Polymerwerkstoffeigenschaften mittels lichtoptischer Methoden. Die späte, erst nach der Wende erfolgte Promotion hatte ihre Ursache übrigens darin, dass sie bis dahin in der DDR aus politischen Gründen hintertrieben wurde. Ein Jahr später ging er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, wo er bis zu seinem Ruhestand im Jahre 2011 wirkte. Bereits seit 1972 hielt er dort Vorlesungen auf verschiedenen Gebieten. Die Vielseitigkeit des Kunststoffmannes Trempler zeigte sich wohl auch darin, dass er ab dem Jahre 1970 aktiv ausgerechnet in der Deutschen Gesellschaft für Kristallographie mitarbeitete. Aber die Fachleute dort hatten eben die mikroskopischen Methoden, die sein Spezialgebiet wurden.

Dr. Tremplers Lebenswerk wurde 2020 mit der Verleihung des renommierten Roland-Mitsche-Preises gewürdigt. Dies war die Krönung seiner wissenschaftlichen Laufbahn, auf die er mit Recht sehr stolz war. Pandemiebedingt konnte damals eine Ehrung nur online erfolgen. Die Urkunde wurde ihm posthum überbracht und seiner Witwe Astrid Trempler am 8. Juli 2023 übergeben, zehn Tage nach seinem Tod, aber nicht zu spät.

Wir werden Dr. Jörg Trempler ein ehrendes Gedenken bewahren.

Andreas Neidel für den FA Materialographie der DGM

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