Wir trauern um Prof. Dr. Helmut Kronmüller (21. November 1931 – 30. Juni 2023)

Mit dem Tod unseres DGM-Mitglieds, Prof. Dr. Helmut Kronmüller, verliert die Wissenschaftsgemeinschaft eine herausragende Forscherpersönlichkeit auf dem Gebiet der Metallforschung und insbesondere des Magnetismus. Seine bahnbrechenden Arbeiten, darunter der Kronmüller-Plot, haben nicht nur das Verständnis für magnetische Werkstoffe vertieft, sondern tragen auch heute noch zur Entwicklung nachhaltiger Energieversorgung bei. Ein Nachruf zum Tod von Prof. Dr. Helmut Kronmüller, verfasst von Prof. Dr. Dagmar Goll, Prof. Dr. Gerhard Schneider (Aalen) Prof. Dr. Gisela Schütz (Stuttgart).

 

Prof. Dr. Helmut Kronmüller verstarb am 30. Juni 2023 im Alter von 91 Jahren. Er war Direktor des Max-Planck-Instituts für Metallforschung und emeritiertes wissenschaftliches Mitglied des Nachfolgeinstituts Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart. Sein wissenschaftliches Engagement und seine Leidenschaft galten der Metallforschung und besonders dem Magnetismus. Er war in zahlreichen nationalen und internationalen Beratergremien tätig und ist Autor und Editor einer Vielzahl einschlägiger Bücher und Veröffentlichungen. Für seine Verdienste erhielt er etliche Preise und Ehrungen.

Helmut Kronmüller war eine herausragende Forscherpersönlichkeit in der Metallforschung und vor allem des Magnetismus und war darüber hinaus ein sehr geschätzter Mentor und Dozent. Er widmete sich vor allem dem umfassenden Generalthema – die Wechselwirkungen zwischen der Mikrostruktur metallischer und vor allem magnetischer Werkstoffe und deren physikalischen Eigenschaften. Seine erfolgreichen Forschungstätigkeiten zeichneten sich durch zwei besondere Eigenschaften aus: (1) Die Fragestellungen wurden von ihm und seinen Mitarbeitern mit sehr großer Breite bearbeitet. Diese reichte von den naturwissenschaftlichen Grundlagen in Theorie und Experiment bis hin zu anwendungsorientierten Arbeiten. Hierzu wurden unter seiner Regie neue experimentelle Techniken und theoretische Simulationsmethoden entwickelt, die neue richtungsweisende Erkenntnisse zum Verständnis der Werkstoffe brachten und weltweit als führend galten. (2) Er knüpfte und unterhielt langjährige Kontakte und Kooperationen mit wissenschaftlichen Freunden, ehemaligen Gästen und Studierenden, die in vielen Bereichen zu sehr erfolgreichen Forschungstätigkeiten führten. Die von ihm bearbeiteten Forschungsgebiete waren vielseitig und umfassten hart- und weichmagnetische Materialien, Mikromagnetismus, magnetische Nachwirkung, magnetische Phasenumwandlung, Supraleitung, Wasserstoff und Diffusion in Metallen und Legierungen, intrinsische Defekte und Plastizität in Metallen, amorphe und quasikristalline Legierungen und viele weitere. Viele seiner Pionierarbeiten sind für die Entwicklung einer nachhaltigen Energieversorgung heute relevanter denn je. Am bekanntesten ist sicherlich sein legendärer Kronmüller-Plot, der sich international als Standardmethode zur Auswertung von Gefüge-Eigenschaftskorrelationen magnetischer Werkstoffe etabliert hat. Er ist ferner wichtiger Bestandteil bei der mikromagnetischen Beschreibung von Ummagnetisierungsmechanismen, zu deren tieferem Verständnis Helmut Kronmüller einen maßgeblichen Beitrag geleistet hat. 

Helmut Kronmüller wurde am 21. November 1931 in Schwaikheim (Germany) geboren und war seiner schwäbischen Heimat stets verbunden. Er studierte an der Technischen Hochschule Stuttgart Physik und Mathematik. Er schloss sein Studium 1956 als Diplom-Physiker ab. Nach der Promotion am Institut für Theoretische und Angewandte Physik der Universität Stuttgart im Jahr 1958 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut (MPI) für Metallforschung tätig. Er habilitierte 1968 für das Fach Physik an der Universität Stuttgart. Für seine als Buch im Springer-Verlag veröffentlichte Habilitationsschrift „Nachwirkung in Ferromagnetika“ wurde ihm 1968 der Physikpreis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) verliehen. 1970 wurde er zum Wissenschaftlichen Mitglied des MPI für Metallforschung berufen. 1974 wurde er Professor für Physik an der Universität Stuttgart und 1987 Direktor am MPI für Metallforschung. Für seine Verdienste um die Entwicklung der Metallphysik im Bereich magnetischer und supraleitender Hochleistungswerkstoffe wurde ihm 1992 die Heyn-Denkmünze der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde (DGM) verliehen. Von 1992 bis 1995 war er Geschäftsführender Direktor des MPI für Metallforschung. Er wurde im November 1999 emeritiert, war aber bis kurz vor seinem Tod als emeritiertes wissenschaftliches Mitglied des Nachfolgeinstituts MPI für Intelligente Systeme weiterhin wissenschaftlich aktiv.

Neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit hat Professor Kronmüller über viele Jahrzehnte hinweg umfangreiche Tätigkeiten in nationalen und internationalen Gremien ausgeübt: Er war in den Jahren 1995 – 2000 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Magnetismus und von 1993 – 2001 Leiter des Fachverbandes Magnetismus der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG), in dessen Eigenschaft er auch dem Vorstandsrat der DPG angehörte. Er gehörte ferner einer Reihe internationaler Kommittees an. So war er unter anderem wissenschaftliches Mitglied des Staatlichen Forschungszentrums für magnetische Materialien und Technik in China und Vorsitzender des Europäischen Fachbeirats des Instituto de Magnetismo Aplicado, Universidad Complutense de Madrid. Die IEEE Magnetic Society hatte ihn im Jahr 1999 zum „Distinguished Lecturer“ ernannt. Im Rahmen mehrere Brite-EuRam Programme hat Professor Kronmüller wesentlich dazu beigetragen, die Zusammenarbeit auf dem Gebiet magnetischer Hochleistungswerkstoffe innerhalb der Europäischen Union voranzutreiben.

Helmut Kronmüller ist Autor/Koautor von ca. 1000 Veröffentlichungen, von denen zahlreiche vielzitiert sind. Wichtige Bücher/Handbücher sind: H. Kronmüller, M. Fähnle „Micromagnetism and the Microstructure of Ferromagnetic Solids“ (erschienen 2003, Cambridge University Press) und H. Kronmüller, S. Parkin (eds.) „Handbook of Magnetism and Advanced Magnetic Materials“ (5 Bände, erschienen 2007, Wiley). Sein Engagement und seine Leidenschaft für die Metallforschung und besonders für den Magnetismus konnte Helmut Kronmüller auch dem wissenschaftlichen Nachwuchs über fachspezifische Vorlesungen (z.B. Magnetische Eigenschaften fester Körper, Supraleitung, Festkörperphysik) und Betreuung von Abschlussarbeiten und Doktorarbeiten hervorragend vermitteln. Kaum jemand hat mit größerer und ansteckenderer Begeisterung über seine Forschung vorgetragen. Auch hat er stets großen Wert auf einen konstruktiven wissenschaftlichen Diskurs gelegt und diesen gepflegt. Er hat über 120 Doktorarbeiten als Hauptberichter betreut. Zahlreiche seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben führende Stellungen in der Industrie erreicht oder haben habilitiert und Rufe an Universitäten bekommen.

Die Community der Metallforschung und vor allem des Magnetismus vermisst den Wissenschaftler und Menschen Helmut Kronmüller sehr und wird ihm und seinem Wirken allzeit ein ehrendes Andenken bewahren. Das Mitgefühl gilt seiner Ehefrau Sonja und seinen vier Kindern und Enkeln.

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