Die DGM zeichnet Mitglieder durch die Verleihung der „Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde e.V.“ aus, die sich in materieller oder ideeller Hinsicht um die Gesellschaft besonders verdient gemacht haben.
Die diesjährigen Ehrenmitgliedschaften werden verliehen an Prof. Dr.-Ing. Hans-Jürgen Christ und Prof. Dr.-Ing. Karl Ulrich Kainer.
von Prof. Dr.-Ing. Hans Jürgen Maier
Es ist mir eine Ehre, hier anlässlich der Verleihung der DGM-Ehrenmitgliedschaft 2022 einige Worte über Herrn Christ an Sie richten zu können, der für mich ein hochgeschätzter Kollege, Mentor und vor allem auch ein guter Freund ist. Unsere langjährige Verbundenheit hat mich und meine Laufbahn nachhaltig geprägt. Mit Herrn Christ wurde ein herausragender Werkstoffwissenschaftler zum DGM-Ehrenmitglied gewählt, der sich über viele Jahre in besonderer Weise um unser Fachgebiet im Allgemeinen und die Deutsche Gesellschaft für Materialkunde im Besonderen verdient gemacht hat.
Da Herr Christ schon früh die große Bedeutung der DGM für unsere Disziplin als maßgebliche Interessenvertretung, wichtiger Impulsgeber für die fachwissenschaftliche Weiterentwicklung und essentielles Organ für die Vernetzung von Materialwissenschaft und Industrie erkannte, gestaltete er seine Mitgliedschaft seit jeher besonders aktiv und übernahm viele verantwortungsvolle Funktionen in der Gesellschaft. Er leitete unter anderem über 13 Jahre lang den Arbeitskreis Materialermüdung und trug so maßgeblich zum Transfer der auf diesem Fachgebiet erzielten Forschungsergebnisse in die industrielle Anwendung bei. Uns allen ist Herr Christ natürlich auch als langjähriges Vorstandsmitglied und als Vorsitzender der DGM in den Jahren 2013 und 2014 gut bekannt. Dabei widmete er sich unserer gemeinsamen Sache immer mit großem Engagement und leistete bedeutende Beiträge für die innerfachliche Verständigung sowie die Ausgestaltung des Gesellschaftslebens in der DGM. Insbesondere die Vernetzung von Akteuren aus Wissenschaft und Industrie, für die er sich beispielsweise im Rahmen seiner Funktion als Leiter der Tagungsreihe Werkstoffprüfung stark einsetzte, war ihm stets ein besonderes Anliegen.
Herr Christ ist ein hervorragender Grundlagenforscher mit außergewöhnlichem experimentellen Geschick, der auch den Transfer der Forschungsergebnisse in die Anwendung stets im Blick hat. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Jahr 1980 mit Aufnahme seiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Werkstoffeigenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg. Dort schloss er seine Promotion 1984 mit einer Dissertation zum Oxidationsverhalten ausgewählter Hochtemperaturlegierungen ab, für die er den Karl-Gierl-Preis der Technischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg erhielt. Im Anschluss an seine Promotion blieb er dem Lehrstuhl zunächst als Akademischer Rat sowie als Oberingenieur erhalten. Seine Habilitation, in deren Rahmen Herr Christ ein statistisches Verbundmodell zur Vorhersage des Spannungs-Dehnungs-Pfads metallischer Werkstoffe bei schwingender Beanspruchung entwickelte, wurde als herausragende Arbeit mit dem Wolfgang-Finkelnburg-Preis der Universität Erlangen-Nürnberg ausgezeichnet. Aus ihr entstand auch eine umfangreiche und vielbeachtete Monographie zur Wechselverformung von Metallen.
Während seiner Zeit in Erlangen lernte ich Herrn Christ kennen und war als junger Nachwuchswissenschaftler sofort von seinem Forschergeist, seiner integren Persönlichkeit und seiner immensen fachlichen Expertise fasziniert. Als Herr Christ im Jahr 1993 dem Ruf auf die C4-Professur für Werkstofftechnik der Universität Siegen folgte, nahm ich sein Angebot, mit ihm nach Siegen zu wechseln, sehr gerne an. Herr Christ war mir in all den Jahren und ist mir noch immer fachlich und menschlich ein Vorbild. Unsere wissenschaftliche Zusammenarbeit und persönliche Freundschaft waren immer von einem hohen Maß an Respekt und Vertrauen gekennzeichnet. Bei all seinen großen Erfolgen hat er sich stets seine Freundlichkeit, Menschlichkeit und Offenheit bewahrt.
Herr Christ konnte nach seiner Berufung seine wissenschaftliche Karriere äußerst erfolgreich fortsetzen und etablierte sich rasch als einer der renommiertesten Vertreter seines Forschungsgebiets. Seine Arbeiten, die ein außergewöhnlich breites Spektrum von der Materialermüdung über die Hochtemperaturoxidation bis hin zur Wasserstoffversprödung und Materialmodellierung umspannen, finden bis heute national und international höchste Anerkennung. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt war Herr Christ ein sehr begehrter und geschätzter Gastgeber bei ihren Forschungsaufenthalten. Auch die Ehrungen, die Herrn Christ im Laufe seiner bisherigen Karriere zugedacht wurden, zeugen von seiner hochkarätigen Forschungsarbeit. So erhielt er neben den genannten Auszeichnungen für seine Dissertation und seine Habilitationsschrift unter anderem den Masing-Gedächtnispreis der DGM für herausragende wissenschaftliche Leistungen im Jahr 1991, den Forschungspreis der Naturwissenschaftlich-Technischen Fakultät der Universität Siegen im Jahr 2012 sowie mit der Heyn-Denkmünze die höchste Auszeichnung der DGM im Jahr 2018.
Seine Freude an der Materialwissenschaft und deren Vermittlung machen Herrn Christ in Kombination mit seinen besonderen didaktischen Fähigkeiten und seiner Offenheit gegenüber den Mitmenschen auch zu einem hervorragenden Hochschullehrer, der sich bei Studierenden größter Beliebtheit erfreut. Es gelingt Herrn Christ dabei auf beeindruckende Weise, Studierende für materialwissenschaftliche Inhalte zu begeistern und so letztlich den Nachwuchs für die Belange unserer Gesellschaft zu gewinnen.
Die DGM verleiht mit Herrn Christ einem Ausnahmeforscher unserer Disziplin, einem hoch engagierten Mitglied unserer Gemeinschaft und einem besonderen Menschen die Ehrenmitgliedschaft. Ich freue mich daher sehr darüber, dass die DGM ihm diese Ehrung zuteilwerden lässt, und gratuliere sowohl Herrn Christ als auch der DGM zu dieser Wahl!
von Prof. Dr. Wolfgang Kaysser
In den Materialwissenschaften gibt es eine Reihe höchst angesehener Forscherpersönlichkeiten, deren Name geradezu magisch und dauerhaft bleibend national und international mit einem bedeutenden Phänomen oder einer Materialklasse des Fachgebiets in Verbindung gebracht wird. Mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Prof. Karl Ulrich Kainer ehrt die Deutsche Gesellschaft für Materialkunde eine solche Forscherpersönlichkeit.
Mister Magnesium ist ein gängiges Synonym für ihn, das Respekt für seine wissenschaftliche und umsetzungsrelevante Forschungsleistung, sein überragendes Fachwissen und sein langjähriges Engagement ausdrückt. Prof. Kainer ist in beidem tief verwurzelt, der wissenschaftlichen Durchdringung der Magnesiumlegierungen und der praktischen Umsetzung, wenn es gilt Gefüge und Eigenschaften einzustellen. Seine gezielte wissenschaftliche Neugier und sein schnörkelloser Pragmatismus bei der Umsetzung haben zu vielen weitreichenden bestandsfähigen Entwicklungen im Bereich der Magnesiumlegierungen geführt.
Geboren 1953 in Volmarstein an der Ruhr, diplomierte er 1977 an der FH Osnabrück zum damaligen Ing. grad. für Hüttenwesen/Werkstoffkunde. Sein Wunsch, komplexe Werkstoffe auch wissenschaftlich tiefgreifender zu verstehen, erfüllte sich durch das Studium der Werkstoffkunde – metallische Werkstoffe an der Technischen Universität Clausthal mit dem Abschluss als Dipl. Ing. und der Promotion im Sommer 1985. Als Leiter der Arbeitsgruppe zur Pulvermetallurgie, Leichtmetallen und Metallmatrix-Verbundwerkstoffen in Clausthal, führten seine Forschungsarbeiten an Aluminium und Stählen mehr und mehr zu den Magnesiumlegierungen. Metallpulvererzeugung, die rasche Erstarrung insbesondere der Leichtmetalle und die diskontinuierlich verstärkten Leichtmetalllegierungen waren Schwerpunkte seiner damaligen Forschungsarbeiten und Veröffentlichungen. 1996 habilitierte er an der TU Clausthal im Fachgebiet Werkstoffkunde mit dem Thema „Diskontinuierlich verstärkte Magnesiumverbundwerkstoffe“. Zu jener Zeit fest verwurzelt in Clausthal als akademischer Rat, Oberrat und letztlich als akademischer Direktor war er zugleich regelmäßig international unterwegs. Davon zeugen viele Gastaufenthalte in Frankreich an der Université de Caen Normandie, in Japan am Government Research Institute in Nagoya, im Rahmen des ihm verliehenen Japanese Government Research Award for Foreign Specialists, als Gastdozent in China am Luoyang Institute of Technology oder im Österreichischen Forschungszentrum Seibersdorf im Rahmen des ihm verliehenen Herta Firnberg Forschungsstipendiums. 1999 war für Prof. Kainer ein Jahr der weitreichenden Entscheidungen. Erfolgreich in Clausthal bleiben, dem C4-Ruf auf die Nachfolge von Prof. Berns mit wieder stärkerer Ausrichtung zu den Stählen nach Bochum oder dem C4-Ruf an die TU Hamburg-Harburg, verbunden mit der Institutsleitung des Bereichs Magnesiumtechnologie am damaligen GKSS folgen? Karl Ulrich Kainer entschied sich zum großen Glück für Geesthacht, für die dritte Option. In den nachfolgenden Jahren baute er die bescheidenen Anfänge der dort vorhandenen Magnesiumtechnologie konsequent zum Magnesium Innovation Center (MagIC) aus. Entwickelte es zu einem der weltweit führenden Magnesiumforschungszentren, mit einem großen Mitarbeiterstab und großen speziellen Geräten wie einer Gießwalzanlage für Magnesiumbänder. Mehr als 700 Publikationen, darunter über 370 meist hochzitierte Veröffentlichungen in JCR-gelisteten Zeitschriften, mehr als 150 eingeladene gesponserte Vorträge, 16 Bücher und Tagungsbände als Herausgeber oder Mitherausgeber und 18 Patente weisen den Wissenschaftler und Innovator Karl Ulrich Kainer aus. So verwundert es nicht, dass er geschätztes Mitglied im International Board einer ganzen Reihe internationaler Zeitschriften wurde, z.B. Journal of Magnesium and Alloys und Advanced Engineering Materials. Mehr als siebzehn Jahre war er Mitglied des Vorstandes der International Magnesium Association, 2012-2014 als deren Präsident. 2006 wurde Prof. Kainer zum „Visiting Professor“ an der Chongqing University, dem führenden Magnesium-Forschungszentrum in China ernannt. Im Oktober 2020 wurde er als Universitätsprofessor im Chair of Light Elements Engineering, Foundry and Automation an der Wroclaw University of Science and Technology, Wroclaw/Polen berufen.
Beeindruckend und effektiv ist Prof. Kainer auch als Organisator und Manager. Vor großen Aufgaben nicht zurückschreckend, bleibt er dabei stets realitätsnah und fair. 2004-2010 war er Koordinator des Schwerpunktprogramms 1168 „Erweiterung der Einsatzgrenzen von Magnesium Legierungen (InnoMagTec)“. Seit 2000 ist er Chairman der periodisch stattfindenden internationalen Tagung „Magnesium Alloys and their Application“ und war Chairman einer großen Zahl internationaler Leichtmetalltagungen und Symposia.
Bei all seinem großen internationalen Einsatz für die Wissenschaft und die technologische Umsetzung der Magnesiumlegierungen war Karl Ulrich Kainer stets auch ein aktives engagiertes Mitglied der DGM. 1993 bis 1999 leitete er deren Fachausschuss „Metall-Matrix-Verbundwerkstoffe“. 1999-2010 war er Leiter des DGM-Fachausschusses „Magnesium“. Er war Mitglied im Strangpressausschuss, im Arbeitskreis "Verstärkte Keramiken", im Gemeinschaftsausschuss "Hochleistungskeramik" und im Gemeinschaftsausschuss "Verbundwerkstoffe". In der Zeit von 2005-2008 war Mitglied des Vorstands der DGM. In Kooperation mit der DGM hat Prof. Kainer viele Jahre die erfolgreichen Fortbildungsveranstaltungen „Metallische Verbundwerkstoffe“ (1990-2004) und „Magnesiumtechnologie“ (1995-2005) durchgeführt.
Mit der Ehrenmitgliedschaft für Prof. Karl Ulrich Kainer würdigt die DGM einen herausragenden Wissenschaftler und Innovator, dem es gelungen ist, auf dem Gebiet der Magnesiumlegierungen international Maßstäbe zu setzen. Die DGM würdigt mit ihm zugleich ein engagiertes Mitglied, das die Grundwerte und Ziele der DGM seit vielen Jahren aktiv und vorbildhaft vertritt.
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