Von der Wissenschaft zum Unternehmen: „Just do it!“

Dr.-Ing. Fabian Grasse hatte sich mit Grasse Zur Composite Testing Ende 2011 selbständig gemacht. Gestartet als Spin-Off der BAM, hat sich Grasses Unternehmen mittlerweile erfolgreich im Bereich der Prüfung von faserverstärkten Kunststoffen und Composites etabliert. Lesen Sie dazu das DGM-Interview mit dem Geschäftsführer und Wissenschaftler Dr.-Ing. Fabian Grasse.

Geschäftsführer Dr. Fabian Grasse

Grasse Zur Ingenieurgesellschaft mbH

 

Grasse Zur Composite Testing

  • Branche: TIC (Testing, Inspection, Certification)
    Prüfung von faserverstärkten Kunststoffen und Composites
    (quasi-statische und zyklische zerstörende Prüfung, Betriebsfestigkeit, Lebensdaueruntersuchungen, Thermische Analyse und weitere Prüfverfahren sowie Bauteilprüfungen)

  • Gründungsjahr: 2011

  • Beschäftigte: 10


Von der Wissenschaft zum Unternehmertun – Herr Grasse, Sie sind im Rahmen Ihrer Promotion mit faserverstärkten Kunststoffen in Kontakt gekommen, und ein ehemaliger Kollege hat sich mit einem Schubrahmen beschäftigt. Sie selbst haben das Verfahren in die industrielle Anwendung überführt und 2013 weiterführend ein Materialprüflabor gegründet. Was war/ist Ihre Vision und Motivation, dass Sie diesen Weg gegangen sind?

Die Selbständigkeit war immer mein beruflicher Wunsch. Dabei stehen die Freiheit des selbständigen Handelns und Agierens und gleichzeitig die Übernahme von Verantwortung gegenüber Mitarbeitern im Mittelpunkt. Die Gründung des Unternehmens hat sich beruflich gegen Ende meiner Zeit bei der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin ergeben. Aus der anfänglichen Idee, Schubprüfsysteme an die Industrie zu verkaufen, hat sich aufgrund der hohen Nachfrage die Gründung eines Materialprüflabors entwickelt, welches seit 2017 nach DIN EN ISO/IEC 17025 akkreditiert ist. Geblieben ist immer der Fokus auf faserverstärkte Kunststoffe, deren Markt stetig wächst. Die Motivation dafür ergibt sich aus dem täglichen Kontakt mit den Mitarbeitern und den Auftraggebern, dem ständigen Bewältigen von immer neuen Herausforderungen und der erfolgreichen Etablierung des Unternehmens im Markt.


Grasse Zur Composite Testing ist ein Spin-Off der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Was ist der Unterschied zwischen einem Start-Up und einem Spin-Off?

Ein Spin-Off bezeichnet eine Ausgründung aus einem Unternehmen heraus. Grasse Zur Composite Testing habe ich Ende 2011 gegründet, als ich noch als Doktorrand bei der BAM beschäftigt war. Die ursprüngliche Idee war, ein neuentwickeltes Verfahren für die Schubkennwertermittlung von faserverstärkten Kunststoffen in die industrielle Anwendung zu überführen. Dies ist auch erfolgreich gelungen, das Verfahren ist nach DIN EN ISO 20337 genormt und wird international in verschiedenen Branchen wie der Luft- und Raumfahrt oder der Windenergie eingesetzt. Dem gegenüber steht ein Start-Up, welches in der Regel durch Kapitalgeber finanziert wird und bei dem durch ein überproportional schnelles Wachstum regelmäßige Finanzierungsrunden durchgeführt werden. Typisch ist dabei ein disruptives Vorgehen, um Wettbewerber zu verdrängen. Grasse Zur Composite Testing ist kein Start-Up, sondern wurde klassisch gegründet und ist zu 100 Prozent inhabergeführt. Der Fokus besteht dabei auf eine langfristige und nachhaltige Etablierung im Markt und nicht auf schnelles Wachstum.


Welche Schritte waren entscheidend, um Ihr Produkt von der Wissenschaft in die Industrie zu überführen?

Zunächst war die sehr gute Vorarbeit bei der BAM entscheidend, die eine hervorragende Idee hervorgebracht hat. Diese Idee war so gut, daß das Unternehmen BASF das Produkt, welches bis dahin nur als Prototyp zur Verfügung stand, als Erstkunde kaufen wollte. Zu diesem Zeitpunkt gab es weder eine Normung des Verfahrens noch einen Patentschutz. Durch Kooperationen mit dem Branchenverband CC e.V. (heute Composites United e.V.) und dem Deutschen Institut für Normung (DIN) wurden die Voraussetzungen für eine Überführung in die industrielle Anwendung geschaffen. Durch die Gründung des Labors 2013 konnten dann zunehmend mehr Branchen und Auftraggeber von den Vorteilen des Prüfverfahrens überzeugt werden.


Welche Rolle spielte die enge Kooperation mit DIN bzw. die Standardisierung des Schubprüfverfahren mit DIN SPEC im Laufe der Unternehmensgründung?

Ohne die gute Zusammenarbeit mit DIN wäre das Verfahren nicht so schnell standardisiert worden. Und nur durch die Standardisierung hat es das Prüfverfahren in die Zertifizierung von Rotorblättern für Windenergieanlagen geschafft. Ohne einen Prüfstandard wäre das nicht möglich gewesen. Vor allem durch die Etablierung im Bereich Windenergie hat es das Prüfverfahren zu einer internationalen Anwendung geschafft. Die Erstellung der ehemaligen DIN SPEC 4885 hat dabei nur ca. sechs Wochen gedauert. Die spätere Erstellung der DIN EN ISO 20337 zog sich hingegen über mehrere Jahre, da auf internationaler Ebene die verschiedenen Sekretariate eingebunden werden mussten. Für die Überführung des Verfahrens in die industrielle Anwendung haben wir 2014 den Innovationspreis Berlin-Brandenburg und den DIN-Innovationspreis erhalten.


Welche persönlichen Kompetenzen (im Sinne von Mindset) braucht es, um erfolgreich eine Idee von der Wissenschaft bis in die industrielle Anwendung zu führen? Kann jede*r zum Unternehmer*in werden?

Meiner Meinung nach kann jede*r Unternehmer*in werden, denn es kommt niemand als Unternehmer auf die Welt. Es braucht dabei vor allem Durchhaltevermögen, Entscheidungsfreude und Reflexionsvermögen. Denn nur durch ein selbstkritisches Hinterfragen und das regelmäßige Reflektieren des eigenen Handelns können getroffene Entscheidungen bewertet und ggf. revidiert werden, was für ein junges Unternehmen essenziell ist. Der Spruch „Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt“ bewahrheitet sich für jede*n Unternehmer*in tagtäglich.


Welchen Ratschlag und/oder Entscheidungshilfe möchten Sie Interessierten mitgeben auf dem Weg zur Unternehmensgründung?

Mein Ratschlag lautet: „Just do it!“. Wenn man überzeugt ist, eine gute Idee zu haben, sollte man es einfach wagen. Vor allem, wenn man jung ist. Denn wenn man sich einmal an ein regelmäßiges Einkommen gewöhnt hat, was es nur selten zu Beginn einer Unternehmensgründung gibt, und vielleicht noch eine Familie zu ernähren hat, dann wird die Selbständigkeit immer schwieriger, je älter man wird. Und auch wenn es stimmt, daß man selbst und ständig arbeitet, so gibt es kaum etwas Schöneres, da das Arbeiten so viel Spaß macht und nur selten als solches wahrgenommen wird.

Grasse Zur Composite Testing 

Vielen Dank Herr Grasse, dass Sie sich Zeit für unser Interview genommen haben. Wir wünschen Ihnen und Ihrem Team alles Gute für die Zukunft. 

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