DGM-Tag 2023: Die Preistragenden stellen sich vor – DGM-Ehrenmitgliedschaft

Die Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V. (DGM) besitzt eine besondere Möglichkeit, ihre herausragenden Mitglieder zu ehren – die "Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde e.V." Diese Auszeichnung wird an Personen verliehen, die sich in materieller oder ideeller Hinsicht in besonderer Weise um die Gesellschaft verdient gemacht haben.

 

Die Ehrenmitgliedschaft der DGM ist eine Hommage an außergewöhnliche Verdienste und ein Zeichen der Anerkennung für diejenigen, die sich in besonderem Maße für die Gesellschaft und ihr Anliegen engagiert haben. Sie symbolisiert den Wert und die Bedeutung der Gemeinschaft, die sich für die Erforschung und Weiterentwicklung von Materialkunde einsetzt. Wir sind stolz darauf, Ihnen im Interview unser DGM-Ehrenmitglied 2023, Prof. Dr.-Ing. Berthold Scholtes, Universität Kassel, vorzustellen. 

 

1. Sie haben eine beeindruckende Karriere in der Werkstofftechnik hinter sich und waren maßgeblich an der Entwicklung und Gestaltung dieses Forschungsgebiets beteiligt. Welche Meilensteine und Erfahrungen haben Sie besonders geprägt und Ihnen den Weg geebnet?

Die ersten wichtigen Erfahrungen in der Wissenschaft habe ich während der Arbeit an meiner Promotion am Institut für Werkstoffkunde der damaligen Universität Karlsruhe TH gemacht. Durch die anschließende Leitung des Röntgenlabors und später des Schwingfestigkeitslabors kam ich dann mit einer wesentlich breiteren Palette von Fragestellungen der Werkstofftechnik in Kontakt – auch in Kooperation mit Partnern aus der Industrie – die in den jeweiligen Arbeitsgruppen behandelt wurden.

Gerade röntgenographische Verfahren entwickelten sich in dieser Zeit sehr dynamisch als wichtige Instrumente der Werkstoffanalytik. Die Eigenspannungsanalyse wurde – zu meiner eigenen Überraschung – ein bedeutendes Verfahren der Qualitätskontrolle in der Fertigungstechnik. Das beruhte auch darauf, dass aus den zu Anfang umständlichen Messungen mit Röntgenfilmen – die ich noch erlebte – durch die enormen Fortschritte im Bereich der Röntgenstrahlquellen, der Detektoren und der Steuerungen im Laufe der Jahre Messverfahren mit einer vorher nicht für möglich gehaltenen Zeit- und Ortsauflösung hervorgingen. Diese für mich glückliche Entwicklung hatte zur Folge, dass ich in vielfältige und sehr unterschiedliche grundlagen- oder anwendungsorientierte Forschungsaktivitäten eingebunden war. In dieser Zeit entstanden auch ein intensiver Austausch mit Fachkolleginnen und –kollegen im In- und Ausland, verbunden mit Aktivitäten in den Leitungsgremien internationaler Konferenzen. Parallel dazu engagierte ich mich in den Technisch-Wissenschaftlichen Gesellschaften, weil ich ihre Bedeutung insbesondere für die Interessensvertretung unserer Fachdisziplin und für den Wissenstransfer erkannte. 

Mit meiner Berufung nach Kassel kamen dann vielfältige weitere Aufgaben in der Wissenschafts- und der universitären Selbstverwaltung hinzu. Die Kasseler Universität zeichnet sich durch eine große Breite an Fachdisziplinen aus, sodass ich sehr unterschiedliche Sichtweisen universitärer Forschung kennen lernte. Jetzt hatte ich die Möglichkeit durch Mitarbeit in Gremien oder als Gutachter und auch eine Zeitlang im Präsidium der Kasseler Universität guter wissenschaftlicher Arbeit Fördermöglichkeiten zu eröffnen und wissenschaftliche Entwicklungen, die mir wichtig erschienen, in Konkurrenz zu anderen zu unterstützen. 

2. Als langjähriger Leiter des Fachgebiets "Metallische Werkstoffe" an der Universität Kassel haben Sie sich nicht nur als Forscher, sondern auch als Lehrer und Mentor engagiert. Was hat Sie in Ihrer Rolle als Hochschullehrer am meisten erfüllt?

Das war der Kontakt mit den Studierenden in den Vorlesungen, aber auch im Rahmen von Abschlussarbeiten in den Laboren. Ich habe immer sehr gerne an Lehrkonzepten gearbeitet und an Ideen, die „trockene Lehre“ mit praktischen Arbeiten zu verbinden. Eine gute Ausbildung durch Mitarbeit in der Forschung war dabei immer – auch in Zeiten großer Studierendenzahlen – der Leitgedanke. Dass ich dazu – neben der universitären Selbstverwaltung und der Arbeit an Forschungsprojekten – viel zu wenig Zeit hatte, habe ich immer bedauert. Der über die Jahre gut funktionierende Austausch von Studierenden zwischen einschlägigen Fachgebieten in und außerhalb Europas hatte für mich ebenfalls eine große Bedeutung.

Auch der erfolgreiche Abschluss eines Promotionsprojektes war für mich stets ein wichtiges und schönes Ereignis. In diesem Zusammenhang hatten strukturierte Forschungsprogramme, bei denen die Doktorandinnen und Doktoranden eng mit Fachgebieten an anderen Universitäten zusammenarbeiten konnten, einen besonderen Stellenwert. 

Letztlich war es mir bei der Arbeit in den universitären Gremien und während meiner Zeit als Vizepräsident in Kassel immer wichtig, die Universität nicht als einen nüchternen Dienstleistungsbetrieb, sondern als einen offenen Ort für die vielfältige persönliche Entwicklung der Studierenden und Forschenden weiterzuentwickeln. 

3. Welchen Rat würden Sie jungen Forschenden geben, die eine Karriere in der Werkstofftechnik anstreben und sich auf diesem Gebiet einen Namen machen wollen?

Mir hat man, als ich nach der Promotion die Möglichkeit hatte, weiter an der Universität zu bleiben, dringend von einer Hochschulkarriere abgeraten, weil ordentlich dotierte Dauerstellen rar seien. Zufälle und glückliche Umstände, aber vor allem die Tatsache, dass mir die Arbeit in der Verbindung von Forschung und Lehre über all die Jahre hinweg – meistens – Freude bereitet und mich motiviert hat, haben dazu geführt, dass ich diesen Weg nicht bereut und meine Ziele erreicht habe. 

Für eine erfolgreiche Karriere in der Werkstofftechnik – wie überhaupt in der Wissenschaft – ist es natürlich von Bedeutung, möglichst früh durch originelle Arbeiten wissenschaftliche Sichtbarkeit und Anerkennung zu erlangen. Dabei sollte man aber sein Arbeitsgebiet nicht zu eng eingrenzen und durchaus bereit sein, neue Themen aufzugreifen. Für sehr wichtig halte ich auch Kontakte mit Arbeitsgruppen im In- und Ausland, die auf gleichen oder ähnlich gelagerten Gebieten arbeiten. Durch diesen Austausch lernt man unterschiedliche Herangehensweisen und Methoden kennen und legt gleichzeitig die Basis für wissenschaftliche Kooperationen. 

4. Als Ehrenmitglied der DGM und der AWT haben Sie eine besondere Verbindung zu beiden Fachgesellschaften. Was bedeutet Ihnen diese Anerkennung durch beide Organisationen und welche Rolle spielen solche Auszeichnungen für die Wertschätzung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft?

Die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft ist für mich eine große Freude und ich bin der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde sehr dankbar. Während meiner aktiven Zeit als Hochschullehrer war mir die Kooperation und der persönliche Austausch mit Fachkolleginnen und –kollegen stets besonders wichtig. Das war der Rahmen, in dem Erkenntnisse weitergegeben und Forschungsideen geboren und dann auch weiterentwickelt wurden. Dabei hat die DGM mit ihren Gremien und Aktivitäten eine sehr prominente Rolle gespielt. Durch die Ehrenmitgliedschaft unterstreicht die DGM, wie wichtig ihr diese Form der wissenschaftlichen Arbeit, des Wissenstransfers und die persönlichen Kontakte sind und wie hoch sie die Bedeutung der handelnden Personen schätzt. 

5. Mit Ihrer langjährigen Erfahrung in der Werkstofftechnik wollen wir Ihren Blick auf die Zukunft der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik erfragen. Wie sehen Sie die aktuellen Herausforderungen und Trends?

In einer Zeit, in der Informationen praktisch grenzenlos und überall zur Verfügung stehen, stellt sich natürlich im Rahmen der Ausbildung der Studierenden auch in der Werkstofftechnik die Frage, in welchem Umfang in der Lehre Wissen oder eher verstärkt die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung vermittelt werden soll. Nun ist das eine aber nicht ohne Weiteres von dem anderen zu trennen. Hier den richtigen Weg in der Lehre zu finden, sehe ich als eine wichtige Aufgabe und Herausforderung der jetzigen Hochschullehrergeneration.

Auf der anderen Seite eröffnet die Digitalisierung in Materialwissenschaft und Werkstofftechnik zusammen mit den kontinuierlichen beeindruckenden Fortschritten in der Messtechnik und Analytik phantastische Perspektiven bei der Herstellung neuer Materialien und der Beschreibung von Werkstoff- und Bauteileigenschaften. 

 

Vielen Dank, Herr Scholtes, für das ausführliche Interview. Wir freuen uns auf das persönliche Wiedersehen zum DGM-Tag 2023.

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