DGM-Tag 2023: Die Preistragenden stellen sich vor – DGM-Pionier

Der DGM-Pionier ist eine Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde (DGM), die besondere Leistungen und Verdienste eines DGM-Mitglieds im Bereich der nachhaltigen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie würdigt. Wer der Vorreiter in der wissenschaftlichen Vernetzung und der modernen Kooperation von akademischer und industrieller Forschung ist, lesen Sie im Interview.

Seit 2014 zeichnet die DGM mit dem DGM-Pionier die persönlichen Mitglieder unser Fachverbandes aus, die mit ihrem Engagement zum Vorreiter der wissenschaftlichen Vernetzung und der modernen Kooperation von akademischer und industrieller Forschung geworden sind. Wir gratulieren herzlich Prof. Dr. Ehrenfried Zschech, CTO und Co-Founder der deepXscan GmbH, zum DGM-Pionier 2023.

 

1. Lieber Herr Zschech, seit 1990 sind Sie als privates Mitglied mit der DGM verbunden. Mit dem DGM-Pionier würdigt unsere Gesellschaft Ihre besonderen Leistungen beim erfolgreichen Wissenstransfer von der Wissenschaft in die Industrie und Ihre Verdienste in der Nachwuchsförderung. Worin sehen Sie persönlich Ihre Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik?

Neugier und meine Faszination für Technik haben mich immer wieder angetrieben, sowohl zum Verständnis wissenschaftlicher Grundlagen als auch zur Umsetzung von originären Forschungsergebnissen in neue Technologien und High-Tech-Produkte beizutragen. Ich hatte das große Glück, als Werkstoffwissenschaftler bei Airbus in Bremen und bei AMD in Dresden zu zwei wegweisenden Innovationen beizutragen: zur Einführung des Laserstrahlscheißens für die Fertigung von Flugzeug-Rumpfstrukturen und zur sogenannten „Damascene“-Technologie für Kupfer-Leitbahnsysteme in integrierten Schaltkreisen. Gemeinsam mit starken, interdisziplinär zusammengesetzten Teams habe ich werkstoffanalytische Verfahren für diese neuen Fertigungstechnologien entwickelt und angewendet, sowie deren Ergebnisse zur Sicherung der Produktqualität interpretiert.

Mein Herz schlägt höher, wenn ich aus Ideen neue Lösungen generieren kann, wenn ich Forschung in Physik und Werkstoffwissenschaft zu neuen, marktfähigen Produkten führen kann. Deshalb habe ich mich - nach Jahrzehnten an Universität, in außeruniversitären Forschungseinrichtungen und in der Großindustrie – vor ca. 3 Jahren entschieden, gemeinsam mit Norman Huber, einem erfahrenen Ingenieur und Unternehmer, ein Start-up zu gründen, um mit einem talentierten und motivierten Team neuartige Röntgenmikroskope zu entwickeln und zu kommerzialisieren. deepXscan‘s Nano-Tomographen können das Werkstoffgefüge dreidimensional und zerstörungsfrei mit hoher Auflösung abbilden und kinetische Prozesse wie Risswachstum in Verbundwerkstoffen sichtbar machen. Dadurch können neue Materialien schneller entwickelt und Mikrochips robuster gemacht werden. 


 

2. Ihre Mitarbeiterin bei deepXscan, Dr. Kristina Kutukova, ist dieses Jahrs mit dem DGM-Nachwuchspreis ausgezeichnet worden. In ihrem Interview bedankt Sie sich für Ihre Unterstützung. Hatten auch Sie Vorbilder und Unterstützer in Ihrer beruflichen Karriere, an denen Sie sich orientieren konnten?

Sowohl in der Schule in meiner Heimatstadt Bautzen als auch an der Technischen Universität Dresden hatte ich engagierte Lehrer, von denen ich ein fundiertes Fachwissen für meine berufliche Laufbahn erwerben konnte. Stellvertretend für die Lehrer, die mir das wissenschaftliche Handwerk beigebracht und in mir das Feuer für Wissenschaft und technische Innovationen entfacht haben, möchte ich Dr. Walter Guratzsch aus Bautzen sowie meinen Doktorvater Prof. Dr. Winfried Blau nennen. Eine weitere Persönlichkeit, die mich gefordert und gefördert hat, ist unser DGM-Ehrenvorsitzender Prof. Günter Petzow. Nach unserem ersten Gespräch, an meinem Poster auf der DGM-Werkstoffwoche in Osnabrück im Jahre 1990, hat er mich zu einem Forschungsaufenthalt ans Max-Planck-Institut für Metallforschung eingeladen. Gern erinnere ich mich an die kreative Arbeitsatmosphäre in Stuttgart-Büsnau.

Ich hatte auch Unterstützer während der Zeit, in der ich in der Industrie tätig war: Sowohl bei Airbus in Bremen als auch bei AMD in Dresden hatte ich Vorgesetzte, die mir ein hohes Vertrauen entgegengebracht und mir den für kreatives, wissenschaftliches Arbeiten notwendigen Freiraum gegeben haben. Allen voran möchte ich Erwin Löchelt bei Airbus und Terry Caudell bei AMD nennen, beide leidenschaftliche Ingenieure und starke Führungspersönlichkeiten. 

 

3. Das „Silicon Saxony“ ist der führende Mikroelektronik-Standort Europas. Sie selbst waren im start-up Team des US-amerikanischen Chipherstellers Advanced Micro Devices in Dresden und haben über ein Jahrzehnt das Materials Analysis Lab geleitet. Hat dieser HighTech Hub Dresden die Wahl des Standortes für Ihr Start-up Unternehmen deepXscan, das Röntgenmikroskope entwickelt und vermarktet, beeinflusst?

Für ein deepTech Start-up ist das Innovationsökosystem, in dem sich verschiedene Akteure miteinander vernetzen, um gemeinsam Innovationen voranzutreiben, ein wichtiges Kriterium für die Standortwahl. Wir haben daher Dresden bewusst als Firmensitz für die deepXscan GmbH gewählt. In Netzwerken wie dem Silicon Saxony und dem Organic Electronics Saxony interagieren wir täglich „vor Ort“ mit Menschen, die Dinge gemeinsam anpacken und verändern wollen. Dazu zählen Enthusiasten aus anderen Start-ups, Manager und Ingenieure aus den Halbleiter-Fabs, Forscher von der Technischen Universität Dresden und aus den zahlreichen außeruniversitären Instituten. Nicht zuletzt ist Dresden eine attraktive Stadt zum Leben und zum Arbeiten, mit viel Kultur und einem breiten Freizeitangebot. Hier stimmt so gut wie alles!

Und noch ein weiterer Aspekt für den Standort: Wir müssen, über Ländergrenzen hinweg, in unserer Forschungs- und Innovations-Landschaft enger zusammenrücken! Die geographische Lage von Dresden ist günstig, die benachbarten Industrie- und Wissenschaftsstandorte in Ostdeutschland, Niederschlesien und Böhmen zählen zum erweiterten Ökosystem, denn die Entfernungen sind kurz: Leipzig/Halle (130 km), Berlin (200 km), Cottbus (110 km), Wroclaw (270 km) und Prag (150 km). Zum Vergleich: Von San Francisco nach San Jose im kalifornischen Silicon Valley sind es ca. 80 km.

 

4. Am 03. September 2023 beginnt die FEMS EUROMAT 2023 in Frankfurt/Main, zu der Sie als Chair die internationale und nationale MSE-Community begrüßen werden. Eine Aufgabe und Erfahrung, die für Sie vielleicht eine ganz persönliche Pionierleistung ist?

Ich freue mich sehr, dass mich die Federation of European Materials Societies (FEMS) zum Chair des größten Werkstoff-Kongresses in Europa ernannt hat. Das ist eine hohe Ehre, aber zugleich eine verantwortungsvolle Aufgabe. Nachdem in den vergangenen Jahren Pandemie und Krieg unser Leben und Denken nachhaltig geprägt haben, werden die nächsten Jahre mindestens ebenso herausfordernd werden. Die 2020er Jahre werden entscheiden, ob wir dem anthropogenen Klimawandel Einheit gebieten. Es können und müssen die Goldenen Jahre für den technologischen Wandel werden! Die Probleme unserer Zeit werden wir nur mit nachhaltigen, materialbasierten Technologien lösen, und nur wenn wir global kooperieren. Europa – weltweit führend bei vielen neuen Werkstoffen – kann und muss hier Vorreiter sein. Diese Chance für Europa werden wir auf der EUROMAT in Frankfurt intensiv diskutieren. Mehr als 1800 Materialwissenschaftler*innen und Werkstofftechniker*innen werden auf dem diesjährigen Werkstoffkongress die Stärke unseres Fachgebiets in Europa demonstrieren und erörtern wie wir konkret mit Forschung, Entwicklung und Innovation zu zukunftsorientierten Technologien und Produkten beitragen können. Gemeinsam mit der Präsidentin der FEMS, Prof. Anna Zervaki, dem FEMS Executive Committee und dem Wissenschaftlichen Komitee der FEMS EUROMAT 2023 engagiere ich mich für ein starkes europäisches Werkstoff-Ökosystem, das den grünen und digitalen Wandel ermöglicht – für eine nachhaltige Entwicklung der europäischen Gesellschaft und für eine leistungsstarke, wettbewerbsfähige europäische Wirtschaft.

Mit solidem Wissen in unserem Fachgebiet und starkem Engagement mitzuhelfen, das „European House of Materials“ zu stärken und die Welt nachhaltiger zu gestalten, macht Sinn und gibt unserem Leben einen Sinn. In diesem Sinne freue ich mich als Chair der FEMS EUROMAT 2023 auf einen intensiven Gedankenaustausch und auf zahlreiche freundschaftliche Begegnungen.

 

Vielen Dank, Herr Zschech, für das ausführliche Interview. Wir freuen uns auf das persönliche Wiedersehen zur FEMS EUROMAT 2023 und zum DGM-Tag 2023

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